Etwa 60 km von Hamburg entfernt und 15 km südwestlich von Itzehoe liegt in der Wilstermarsch am nördlichen Elbufer das beschauliche Dorf Brokdorf.
1972 hatte die Kraftwerk Union AG beschlossen, dort ein Atomkraftwerk zu bauen. Das fanden außerhalb der SPD, die damals noch eine Atomeinstiegspartei war, viele nicht besonders lustig und so formierte sich ein breiter Protest dagegen, der 1976 in die erste Großdemo mündete. Danach gab es einen unbefristeten Baustopp, weil die Entsorgung noch nicht geklärt war (und bis heute nicht ist).
This one picture is licensed under the Creative Commons Attribution 3.0 Germany license. (Author: C. Löser - "St. Nikolauskirche in Brokdorf von außerhalb des Elbdeichs gesehen")
Im Januar 1981 hob ein Gericht den Baustop auf und die nächste Großdemo wurde angemeldet. Die wurde verboten, das Verbot wurde wieder aufgehoben und, als die Demo schon lief, erneut verboten. Das hinderte aber etwa 100.000 Atomkraftgegner nicht daran, sich am Samstag, den 28.02.1981 in der Wilstermarsch zu versammeln.
Die folgende Fotoshow zeigt nur unscharfe, zerkratzte und grobkörnige s/w Bilder. Wegen zu erwartender Auseinandersetzungen mit der Polizei hatte ich nur eine billige Minikamera für ein 16mm Format dabei. Sowohl die Abzüge als auch das Negativ sind zudem später leider sehr zerkratzt worden.
Diese Karte zeigt das Gebiet der Gemeinde Brokdorf im Kreis Steinburg, Schleswig-Holstein, Deutschland. This one picture is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license (Author: ClausG).
Auch von Bremen aus haben sich in gecharterten Bussen und in Fahrgemeinschaften viele Demonstranten auf den Weg gemacht. In aller Frühe ging es los. Gefahren wurde im Konvoi, wobei "Späher" vorgeschickt wurden, um ggf. frühzeitig vor Polizeisperren warnen zu können. (Für die Nachgeborenen sei erwähnt, damals gab es noch keine Handys! Die Kommunikation war also ein bisschen komplizierter. Damals war aber gerade der CB-Funk in, so dass einiges darüber lief. Innerhalb des Konvois folgte man dann einfach dem Leithammel bzw. gab Nachrichten von Wagen zu Wagen weiter (weil sowie alle paar Meter Stau war)). Tatsächlich hatte die Polizei die A 1 gesperrt, so dass der Konvoi auf die Bundesstraße ausgewichen ist und über Buxtehude zum Elbtunnel gelangte (mit Stau im Tunnel). Der Rest der Strecke war dann frei.
Wegen des erwarteten Ansturms der Demonstranten hatte die Staatsmacht 10.000 Polizisten aufgeboten, das war das bis dahin größte Polizeiaufgebot in der Geschichte der Bundesrepublik.
Der 28. Februar 81 war ein Tag mit Minustemperaturen und einem heftigen eiskalten Ostwind, der gnadenlos über die Wilstermarsch pfiff. Die Vermummung der Demonstranten hatte also nichts mit dem Schutz vor der Staatsmacht, sondern hauptsächlich mit der Kälte zu tun.
Es gab verschiedene Anlaufpunkte, wo Bauern ihre Wiesen als Parkplätze zur Verfügung gestellt hatten.
Hier formierten sich dann die langen Demonstrationszüge, die über die Straßen und die Wege in der Wilstermarsch Richtung AKW-Bauzaun marschierten.
Die meisten Demonstranten blieben auf den Straßen und zwar nicht, weil die Polizei das Ausweichen auf die Wiesen verhinderte, sondern weil wir a) anfangs gar nicht gewußt hätten, wo es lang geht und weil b) die Wiesen zwar gefroren, aber wegen der vielen Gräben dennoch tückisch waren.
Es war schon beeindruckend, dass trotz eisiger Kälte sich Menschenmassen in langen Schlangen über die Strassen der Wilstermarsch Richtung AKW-Bauzaun bewegten.
Es ging vorbei an einsam gelegenen Gehöften. Ein Teil der Einwohnerschaft war beuruhigt wegen der Menschenmassen und der von den Medien prophezeiten "Ausschreitungen", ein anderer Teil bot den Demonstranten Hilfe in Form von heißem Tee, der Möglichkeit, Austreten zu können oder einfach nur als Zuspruch an.
Die Demonstrationszüge bewegten sich aus verschiedenen Richtungen auf den Bauzaun zu. Dieser war von der Polizei weiträumig abgesperrt worden, um eine Erstürmung des Geländes zu verhindern. Trotz der Kälte waren auch etliche Wasserwerfer aufgefahren worden. Weil die Demo aber ziemlich weit vom Baugelände entfernt begann, sahen wir davon zunächst nicht viel.
Die Staatsmacht hatte ihre Hubschrauberstaffeln (des Bundesgrenzschutzes wahrscheinlich) zusammengezogen. Die hatten ihre Sammelpunkte ...
... und flogen ansonsten ständig im Tiefflug über die Demonstrationszüge hinweg. Das alles wirkte sehr martialisch und sehr bedrohlich. Abgeschreckt hat es aber keinen Demonstranten.
Je näher wir dem Bauzaun kamen, umso häufiger wurden wir von den Hubschraubern attackiert. Wir sind dabei nur bis in Sichtweite zum Baugelände gekommen und gingen nicht weiter, weil es uns nicht um die dann unvermeidlich werdende Auseinandersetzung mit der Polzei ging, sondern darum, unseren Protest zu zeigen. Das hatten wir an diesem Tag zusammen mit 100.000 anderen eindrucksvoll genug getan. Außerdem waren wir allmählich ziemlich durchgefroren.
Nachdem wir noch alte Freunde aus Witten getroffen haben, sind wir umgekehrt und haben uns, wie die meisten anderen, auf die Suche nach unserem Auto bzw. unserer Fahrgemeinschaft gemacht.
Ein paar Unentwegte haben trotzdem versucht, sich zum Bauzaun durchzukämpfen, wodurch dann die Medien endlich etwas zu berichten hatten. Aber die erwartete "große" Auseinandersetzung ist ausgeblieben.
Die Wilstermarsch leerte sich allmählich und wir irrten umher, auf der Suche nach unserer Mitfahrgelegenheit. Die Fahrgemeinschaft hatten wir aus den Augen verloren. Schließlich fanden wir den Parkplatz, aber, oh Schreck, der Wagen war weg! Da standen wir nun in der eiseskalten Wilstermarsch, wo es zudem allmählich dunkel wurde. Unsere einzige Chance war es, irgendwie nach Itzehoe zu kommen, um von dort mit dem Zug nach Bremen zurück zu fahren. Also haben wir uns bei den Trampern eingereiht und schließlich ein Auto nach Itzehoe ergattert.
Dort haben wir dann unser letztes Geld zusammengekratzt und eine Fahrkarte gekauft sowie einen heißen Kaffee. Schließlich fuhr der vollkommen überfüllte Zug los und wir erreichten am späten Abend endlich unser warmes Bett.
Wir wollten noch schnell die Spätnachrichten anschauen, schalteten der Fernseher an ... und wachten morgens vor laufendem Gerät wieder auf. Demonstrieren kann ganz schön anstrengend sein.
Brokdorf Story
Februar 1981
Etwa 60 km von Hamburg entfernt und 15 km südwestlich von Itzehoe liegt in der Wilstermarsch am nördlichen Elbufer das beschauliche Dorf Brokdorf.
1972 hatte die Kraftwerk Union AG beschlossen, dort ein Atomkraftwerk zu bauen. Das fanden außerhalb der SPD, die damals noch eine Atomeinstiegspartei war, viele nicht besonders lustig und so formierte sich ein breiter Protest dagegen, der 1976 in die erste Großdemo mündete.
Danach gab es einen unbefristeten Baustopp, weil die Entsorgung noch nicht geklärt war (und bis heute nicht ist).
This one picture is licensed under the Creative Commons Attribution 3.0 Germany license. (Author: C. Löser - "St. Nikolauskirche in Brokdorf von außerhalb des Elbdeichs gesehen")